Mesenteriale Ischämie

Akute mesenteriale Ischämie

Bei der akuten mesenterialen Ischämie kommt es innerhalb von wenigen Stunden zu einer irreversiblen Durchblutungsstörung mesenterialer Organe. In 85 Prozent der Fälle ist das Versorgungsgebiet der A. mesenterica superior betroffen (Infarzierung des Dünndarms und des proximalen Dickdarms). Seltener ist das Versorgungsgebiet des Truncus coeliacus gefährdet (Magen, Leber, Gallenblase, Pankreas).

Ätiologie

In etwa 40 Prozent der Fälle liegt eine kardiale Embolie vor (absolute Arrhythmie, Myokardinfarkt, Klappenvitien, Endokarditis, prothetischer Herzklappenersatz, dilatative Kardiomyopathie). In etwa 20 Prozent der Fälle kommt es zu einer akuten Thrombose des Hauptstamms der AMS. Die sogenannte nicht-okklusive mesenteriale Ischämie stellt eine Sonderform dar, bei der es zu einer funktionell-spastischen Perfusionsstörung des gesamten mesenterialen Stromgebiets kommt. Prädisponierend sind Langzeit-Intensiv-Therapie (Katecholamine), kardiogener Schock, Sepsis sowie vorausgegangene größere kardiochirurgische oder aortale Gefäßrekonstruktionen. In etwa 15 Prozent liegt eine Mesenterialvenenthrombose vor mit konsekutiver Perfusionsstörung. Ursächlich können beispielsweise Hyperkoagulopathie, Leberzirrhose oder Tumorleiden sein. Seltene Ursachen einer mesenterialen Ischämie sind Aortendissektionen, Vaskulitiden, Viszeralarterienaneurysmen (Tabelle).

ÄtiologieHäufigkeit
Akute Embolie der A. mesenterica sup.Ca. 40%
Akute Thrombose der A. mesenterica sup.Ca. 20%
Akute MesenterialvenenthromboseCa. 15%
Non occlusive disease (NOD)Ca. 25%

Symptome

Das typische Bild der akuten mesenterialen Ischämie beinhaltet plötzlich einsetzende abdominelle Schmerzen, Übelkeit/Erbrechen (> 50 Prozent) und Diarrhöe (rund 30 Prozent). Zu diesem Zeitpunkt ist ein nur diskreter abdomineller Untersuchungsbefund zu erheben. Dem Akutereignis folgt nach etwa sechs Stunden das sogenannte „stille Intervall“. Dieses ist gekennzeichnet von geringeren, eher dumpfen Schmerzen sowie einer einsetzenden Darmparalyse als Ausdruck einer Erschlaffung der Darmmuskulatur. Nach 12-24 Stunden kommt es zu einem transmuralen Mesenterialinfarkt, der klinisch durch die Zeichen einer diffusen Peritonitis (Durchwanderung, gegebenenfalls Perforation), einem ausgeprägten paraytischen Ileus und übelriechender blutiger Stuhlabgänge (rund 25 Prozent) zu charakterisieren ist (Endstadium). Am Ende stehen die Sepsis und das Multiorgan-Versagen.

Diagnostik

Entscheidend ist die frühe Verdachtsdiagnose beziehungsweise das „Daran Denken“ (Anamnese, Begleiterkrankungen, körperliche Untersuchung) gefolgt von einer sofortigen gezielten apparativen Diagnostik. Die Angiographie der Mesenterialgefäße diagnostiziert einen Mesenterialarterienverschluss zweifelsfrei und gibt gegebenenfalls die Möglichkeit der unmittelbaren interventionellen revaskularisierenden Therapie. Schnittbildverfahren Spiral-CT, MRT und die Duplex-Sonographie) zeigen ebenfalls hohe diagnostische Treffsicherheit.

Leukozytose (> 15.000/mm3), erhöhtes Blutlaktat und metabolische Azidose (Laktatazidose) kennzeichnen die bereits fortgeschrittene Ischämie. Falsch negative Laborbefunde (!) sind hierbei nicht selten und dürfen die Bildgebende Diagnostik nicht verhindern.

Therapie

Die Therapie der akuten mesenterialen Ischämie zielt auf die Wiederherstellung der arteriellen Perfusion ischämischer aber potentiell lebensfähiger Darmanteile, auf die Resektion infarzierter Darmanteile und auf die Vermeidung einer erneuten Ischämie. Die klinischen Zeichen einer Peritonitis und/oder der angiographische Nachweis eines akuten Verschlusses der AMS stellen Indikationen zur notfallmäßigen Laparotomie dar. Da das Erholungspotential ischämischer aber noch nicht infarzierter Darmabschnitte nur unzuverlässig vorausgesagt werden kann, muss vor einer Darmresektion prinzipiell die Möglichkeit einer Revakularisierung (Embolektomie, Thrombektomie, gegebenenfalls aorto-mesenterialer Bypass) überprüft werden. Im Einzelfall ist auch bei Patienten mit irreversibler Totalgangrän im Stromgebiet der AMS (kompletter Dünndarm, rechtes Hemicolon) eine Resektionsbehandlung indiziert mit der Möglichkeit der Langzeit-parenteralen Ernährung beziehungsweise sekundären Dünndarmtransplantation. Eine NOD kann durch intraarterielle Gabe von Spasmolytika behandelt werden. Bei der akuten Mesenterialvenenthrombose ist neben der Antikoagulation (Heparin i.v. oder NM-Heparin) die indirekte trans-arterielle Lysetherapie zu diskutieren.

Grundsätzlich gilt das Bild einer sich entwickelnden Peritonitis als absolute Indikation zur diagnostischen Laparotomie. Bei der „programmierten second-look-Laparotomie“ handelt es sich um eine weitere Laparotomie nach erfolgter Darmresektion und/oder Revaskularisation (nach 24-48 Stunden).

Chronische mesenteriale Ischämie (Angina abdominalis)

Ätiologie und Symptome

Chronische Durchblutungsstörungen des Darms und der Bauchorgane sind häufiger als angenommen. So können Ulzera am Magen bei älteren Menschen auch mit lokalen ischämischen Veränderungen der Magenwand in Zusammenhang gebracht werden. Die als Angina abdominalis sive intestinalis bezeichnete Darmdurchblutungsstörung wird durch atherosklerotische Stenosen und Verschlüsse der drei unpaarigen Viszeralarterien (Tr. coeliacus, A.mesenterica sup., A.mesenterica inf.) verursacht. Sind alle drei Arterien am Ostium von Stenosen oder Verschlüssen befallen, ist in der Regel die Ruhedurchblutung des Darms durch Kollateralgefäße gewährleistet. Eine Steigerung der Durchblutung, die nach Nahrungsaufnahme das 10-20-fache der Ruhedurchblutung beträgt, ist durch die Beschränkung der Durchflussreserve allerdings nicht möglich. Dadurch kommt es zur relativen Durchblutungsnot des Darms, ein Schmerzsyndrom, das diese Patienten daran hindert, viel Nahrung zu sich zu nehmen. Darüber hinaus kommt es zur Verwertungsstörung im Sinne eines Malabsorptionssyndroms. Beide Ursachen können die Patienten bis zur Kachexie abmagern lassen.

Diagnostik

Wichtigste Untersuchung ist die transarterielle Katheter-Angiographie. Hiermit können Stenosen/Verschlüsse insbesondere des Tr. coeliacus und der A. mes. sup. objektiviert werden. Der wichtigste Kollateralkreislauf zwischen der A.mesenterica sup. (A. colica media) und der A. mesenterica inf. (A. colica sinistra) ist die Riolan-Anastomose, die ebenfalls angiographisch nachgewiesen werden kann. Vor einer etwaigen revakularisierenden Maßnahme muss eine intensive gastroenterologische Diagnostik erfolgen (Endoskopie von Magen und Dickdarm, Tumor-Ausschluss-Diagnostik, Stuhluntersuchungen etc.).

Therapie

Stenosen oder Verschlüsse der Viszeralarterien bleiben oft asymptomatisch. Dies betrifft insbesondere den isolierten Verschluss bzw. Stenose des Tr. coeliacus, der daher zumeist nicht behandelt werden muss. Die Indikation zur invasiven Therapie sollte nur bei zweifelsfrei symptomatischen Patienten gestellt werden. Zirkumskripte und kurzstreckige Stenosen/Verschlüsse des Tr. coeliacus und der A. mes. sup. können dabei interventionell behandelt werden (PTA/Stent). Ist die interventionelle Behandelbarkeit nicht gegeben, kann die operative Revaskularisation (Thrombendarterektomie der Aorta, des Tr.coeliacus und/oder der AMS, die Transposition der AMS in die infrarenale Aorta sowie Bypass-Anlagen) vorgenommen werden. Aortale Pathologien werden gefäßchirurgisch simultan mitbehandelt. Die Indikation zur Revaskularisation der A. mesenterica inf. ergibt sich aufgrund der guten Kollateralisation des linken Hemicolons über die A. iliaca interna eigentlich nur im Rahmen der operativen Therapie aorto-iliacaler Aneurysmen.